Mathias Weinfurter ist in einer Hochhaussiedlung groß geworden. Vielleicht hat es den Künstler deshalb – außer in den musealen Raum der Rosen- und Mathildenhöhe – ganz besonders nach Kranichstein gezogen: von seinem Atelier in Arheilgen aus, das ihm als Charlotte-Prinz-Stipendiat zwei Jahre zur Verfügung steht, ist es fußläufig erreichbar.
Es ist die viel geschmähte Architektur, die Weinfurter als Statement für Funktionalität fasziniert. Nach dem Zweiten Weltkrieg leisteten diese Wohnblocks angesichts der Wohnungsnot ihre Dienste: 1956 fehlten noch 23 Millionen Wohnungen. Bald darauf ging es beim Bauen um Kosteneffizienz durch industrielles Bauen. Fertigbausysteme sollten die Produktivität steigern und für Wirtschaftlichkeit sorgen. Das prägte den Baustil der 1970er-Jahre. Nun stehen sie da, die Hochhäuser – Mahnmale für ein gescheitertes Versprechen oder doch noch Vision einer gerechteren Zukunft?
Mathias Weinfurter kann sich sehr wohl dafür begeistern – auch für das verwendete Material. Waschbeton fand der Künstler bei seinen Erkundungen in Kranichstein an Außenwänden und auf dem Boden. Die Betonfassade des Hochhauses seiner Kindheit in Köln bestand aus Betonplatten mit Bambusrelief.
Nun stehen beide Plattendesigns in der Vorhalle der Darmstädter Kunsthalle, einem Bau des Architekten Theo Papst, der 1957 verwirklicht und 1986/87 erweitert wurde. Von außen umfasst der Blick in die voll verglaste Vorhalle die ganze Breite des Gebäudes. Betritt man es, zieht sich die Halle schmal in die Länge – ideal für Mathias Weinfurters kleine Ausstellung „Solitär“, die am Freitag gemeinsam mit zwei weiteren Ausstellungen in den Studios der Kunsthalle – Corinna Mayers Schau „Im Herzzentrum der Maschine“ und Johanna Reichs „Sphaera“ – eröffnet wurde.

Installationsansicht Solitär, Kunsthalle Darmstadt, GER, 2025, Foto: Jens Gerber
Eine wertschätzende Begegnung mit den einfachen Dingen, den Werkstoffen und Bauhilfen, ist allen Arbeiten des Künstlers eingeschrieben. Ob Installationen mit Arbeitsschaufeln, Vierkanthölzern, Leitern oder Doppelstabmatten: Weinfurter prüft in seinen Werken nicht nur ihre Funktionalität, sondern schafft durch die Art der Anordnung, Präsentation und Bearbeitung stets Momente der Irritation – manchmal auch der Störung.
Auch in der Kunsthalle finden sich diese Arbeits- und Denkprozesse wieder: Hier gerät Waschbeton in Wallung, hier fangen Steinplatten an zu hüpfen. Weinfurter (er)löst die einzelnen Platten aus dem festen Gefüge der Fassade und verleiht ihnen eine neue Leichtigkeit des Seins – auch Waschbeton darf fröhlich sein. Tatsächlich habe er angesichts der Hochhäuser plötzlich den Gedanken gehabt, dass die Wandplatten ihm entgegenfliegen, aufprallen und leichtfüßig weiterspringen, erzählt der Künstler. So ist die wellenförmige Reihung in mehreren verschiedenen Objekten entstanden.
Jede einzelne Waschbetonplatte verfügt dabei über ihre eigene Gestalt. Das Bambusrelief, das er in einem seiner Objekte verwendet, hat er vom Kölner Wohnhochhaus mit Silikon abgenommen, um für „Solitär“ die eigene Kindheit in der Siedlung lustvoll mit ins Spiel zu bringen.
Mathias Weinfurter ist noch bis Oktober in Darmstadt in seinem Atelier und arbeitet an seinem neuen Projekt.

Erschienen im Darmstädter Echo, am 19.03.2025
Mathias Weinfurter ist in einer Hochhaussiedlung groß geworden. Vielleicht hat es den Künstler deshalb – außer in den musealen Raum der Rosen- und Mathildenhöhe – ganz besonders nach Kranichstein gezogen: von seinem Atelier in Arheilgen aus, das ihm als Charlotte-Prinz-Stipendiat zwei Jahre zur Verfügung steht, ist es fußläufig erreichbar.
Es ist die viel geschmähte Architektur, die Weinfurter als Statement für Funktionalität fasziniert. Nach dem Zweiten Weltkrieg leisteten diese Wohnblocks angesichts der Wohnungsnot ihre Dienste: 1956 fehlten noch 23 Millionen Wohnungen. Bald darauf ging es beim Bauen um Kosteneffizienz durch industrielles Bauen. Fertigbausysteme sollten die Produktivität steigern und für Wirtschaftlichkeit sorgen. Das prägte den Baustil der 1970er-Jahre. Nun stehen sie da, die Hochhäuser – Mahnmale für ein gescheitertes Versprechen oder doch noch Vision einer gerechteren Zukunft?
Mathias Weinfurter kann sich sehr wohl dafür begeistern – auch für das verwendete Material. Waschbeton fand der Künstler bei seinen Erkundungen in Kranichstein an Außenwänden und auf dem Boden. Die Betonfassade des Hochhauses seiner Kindheit in Köln bestand aus Betonplatten mit Bambusrelief.
Nun stehen beide Plattendesigns in der Vorhalle der Darmstädter Kunsthalle, einem Bau des Architekten Theo Papst, der 1957 verwirklicht und 1986/87 erweitert wurde. Von außen umfasst der Blick in die voll verglaste Vorhalle die ganze Breite des Gebäudes. Betritt man es, zieht sich die Halle schmal in die Länge – ideal für Mathias Weinfurters kleine Ausstellung „Solitär“, die am Freitag gemeinsam mit zwei weiteren Ausstellungen in den Studios der Kunsthalle – Corinna Mayers Schau „Im Herzzentrum der Maschine“ und Johanna Reichs „Sphaera“ – eröffnet wurde.

Installationsansicht Solitär, Kunsthalle Darmstadt, GER, 2025, Foto: Jens Gerber
Eine wertschätzende Begegnung mit den einfachen Dingen, den Werkstoffen und Bauhilfen, ist allen Arbeiten des Künstlers eingeschrieben. Ob Installationen mit Arbeitsschaufeln, Vierkanthölzern, Leitern oder Doppelstabmatten: Weinfurter prüft in seinen Werken nicht nur ihre Funktionalität, sondern schafft durch die Art der Anordnung, Präsentation und Bearbeitung stets Momente der Irritation – manchmal auch der Störung.
Auch in der Kunsthalle finden sich diese Arbeits- und Denkprozesse wieder: Hier gerät Waschbeton in Wallung, hier fangen Steinplatten an zu hüpfen. Weinfurter (er)löst die einzelnen Platten aus dem festen Gefüge der Fassade und verleiht ihnen eine neue Leichtigkeit des Seins – auch Waschbeton darf fröhlich sein. Tatsächlich habe er angesichts der Hochhäuser plötzlich den Gedanken gehabt, dass die Wandplatten ihm entgegenfliegen, aufprallen und leichtfüßig weiterspringen, erzählt der Künstler. So ist die wellenförmige Reihung in mehreren verschiedenen Objekten entstanden.
Jede einzelne Waschbetonplatte verfügt dabei über ihre eigene Gestalt. Das Bambusrelief, das er in einem seiner Objekte verwendet, hat er vom Kölner Wohnhochhaus mit Silikon abgenommen, um für „Solitär“ die eigene Kindheit in der Siedlung lustvoll mit ins Spiel zu bringen.
Mathias Weinfurter ist noch bis Oktober in Darmstadt in seinem Atelier und arbeitet an seinem neuen Projekt.

Erschienen im Darmstädter Echo, am 19.03.2025