Der Künstler und Bildhauer Mathias Weinfurter ist seit November neuer Charlotte-Prinz-Stipendiat.
Mathias Weinfurter ist erst ein paar Wochen in Darmstadt und weiß, dass er in seinem Arheilger Domizil genau zwei Jahre leben wird. Dann zieht dort eine neue Charlotte-Prinz-Stipendiatin oder ein neuer Stipendiat ein. Das große Atelier mit offener Galerie zum Wohnbereich ist hoch, hell und geräumig, mit Zugang und Blick in den Garten. Dass er hier mit Unterstützung der Stadt bis Ende 2025 arbeiten darf, empfindet Darmstadts neuer Charlotte-Prinz-Stipendiat als besondere Auszeichnung und als einen wichtigen Schritt in seiner Biografie.
Mit der Sicherheit des Stipendiums im Rücken kann er sich ausschließlich seiner Arbeit zuwenden und sagen: „Ich bin Künstler, das ist meine Profession.“ Er hat die Gelegenheit, die wichtigen Kunstinstitutionen kennenzulernen und zu erfahren, wie der Kunstbetrieb funktioniert. „Bisher ist viel in selbstorganisierten Kontexten passiert, nun öffnen sich andere Türen, ich habe ein anderes Standing. Dafür bin ich dankbar“, sagt er.

Installationsansicht Stören, artothek, Köln, GER, 2023, Foto: Mareike Tocha
1989 in Bad Soden geboren, studierte Weinfurter von 2012 bis 2020 an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach Kunst und Bildhauerei und 2015/16 an der Bezalel Academy of Arts and Design in Jerusalem. Zuletzt lebte er drei Jahre in Köln. Seinen Wechsel nach Darmstadt sieht er als Möglichkeit, „in Bewegung zu bleiben“.
Mathias Weinfurter ist offen für Neues und auf vieles gespannt, wie er sagt, auch auf die Infrastruktur, die ihn hier erwartet, darunter die Handwerksbetriebe um ihn herum in Hinblick auf eine mögliche Zusammenarbeit. Sein Material ist nicht das klassische eines Bildhauers, vielmehr sind es alltägliche Dinge, Arbeitsschaufeln, Kettennetze, Leitern, Vierkanthölzer oder Doppelstabmatten, häufig Bau- und Arbeitsmaterial, das sich gerade durch Klarheit und Einfachheit für ihn als tauglich erweist.
Das Vertraute, Allgegenwärtige und deshalb Unbeachtete, das in seinen Arbeiten mit kleinen „Störungen“ versehen plötzlich auf sich aufmerksam macht, interessiert den Künstler. In die gleichmäßige Struktur und Reihung der Zaun- und Gitterelemente arbeitet er Verschiebungen ein, die irritieren. Sichtbar und spürbar wird, wie diese Veränderungen sowohl als Störfaktor empfunden werden können als auch als belebende Elemente, als Momente der Dynamik, des Witzes, als Ausgangspunkt für spielerisches Weiterdenken. Das serielle Industrieprodukt wird zum Unikat, und es liegt im Auge der Betrachters, welchen Wert sie der Be- und Entfremdung, dem Bruch, dem Spielerischen beimessen möchte.

Installationsansicht Trümmer, Studio Mathias Weinfurter, Köln, GER, 2022
„Trümmer“ nennt sich die Arbeit aus grauen Betonsteinen in offenen Gitterbehältern. Sind sie eingesperrt? Eingesammelt? Bietet das Behältnis gar Schutz? Die grauen Steine sind aus geschredderten Betonabfällen gepresst. „Betonrecycling“. Und jeder Brocken hat seine eigene Geschichte. Vielleicht war er Teil einer Autobahn, vielleicht eines Abrisshauses, in dem viele Leben gelebt wurden? Und wieder stellt sich die Frage: Wie gehen wir damit um? Trauern wir um die verlorenen Bedeutungen und Formen? Spüren wir ihnen geschichtsbewusst nach? Oder machen wir einen Schnitt und nehmen den anonymisierten Betonbrocken als Ausgangsmaterial für Neues?
Mathias Weinfurter jedenfalls verwendet die alten Gitter und Materialien aus seinen abgebauten Werken wieder und freut sich schon darauf.
Mit Erinnerungskultur beschäftigt sich der Stipendiat seit Langem intensiv. Was ist erhaltenswert, was passiert, wenn Denkmäler vom Sockel geworfen und umfunktioniert werden, wie es politisch motiviert, immer wieder geschehen ist? Als Bildhauer rückt er Kunst in den Raum, auch in den öffentlichen Raum, wo sie sich positioniert. Seine Interventionen und Störungen des Vertrauten machen ihm Spaß, „denn darüber erreiche ich viele Menschen, darüber öffnen sich meine Arbeiten.“

Erschienen im Darmstädter Echo, am 12.12.2023
Der Künstler und Bildhauer Mathias Weinfurter ist seit November neuer Charlotte-Prinz-Stipendiat.
Mathias Weinfurter ist erst ein paar Wochen in Darmstadt und weiß, dass er in seinem Arheilger Domizil genau zwei Jahre leben wird. Dann zieht dort eine neue Charlotte-Prinz-Stipendiatin oder ein neuer Stipendiat ein. Das große Atelier mit offener Galerie zum Wohnbereich ist hoch, hell und geräumig, mit Zugang und Blick in den Garten. Dass er hier mit Unterstützung der Stadt bis Ende 2025 arbeiten darf, empfindet Darmstadts neuer Charlotte-Prinz-Stipendiat als besondere Auszeichnung und als einen wichtigen Schritt in seiner Biografie.
Mit der Sicherheit des Stipendiums im Rücken kann er sich ausschließlich seiner Arbeit zuwenden und sagen: „Ich bin Künstler, das ist meine Profession.“ Er hat die Gelegenheit, die wichtigen Kunstinstitutionen kennenzulernen und zu erfahren, wie der Kunstbetrieb funktioniert. „Bisher ist viel in selbstorganisierten Kontexten passiert, nun öffnen sich andere Türen, ich habe ein anderes Standing. Dafür bin ich dankbar“, sagt er.

Installationsansicht Stören, artothek, Köln, GER, 2023, Foto: Mareike Tocha
1989 in Bad Soden geboren, studierte Weinfurter von 2012 bis 2020 an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach Kunst und Bildhauerei und 2015/16 an der Bezalel Academy of Arts and Design in Jerusalem. Zuletzt lebte er drei Jahre in Köln. Seinen Wechsel nach Darmstadt sieht er als Möglichkeit, „in Bewegung zu bleiben“.
Mathias Weinfurter ist offen für Neues und auf vieles gespannt, wie er sagt, auch auf die Infrastruktur, die ihn hier erwartet, darunter die Handwerksbetriebe um ihn herum in Hinblick auf eine mögliche Zusammenarbeit. Sein Material ist nicht das klassische eines Bildhauers, vielmehr sind es alltägliche Dinge, Arbeitsschaufeln, Kettennetze, Leitern, Vierkanthölzer oder Doppelstabmatten, häufig Bau- und Arbeitsmaterial, das sich gerade durch Klarheit und Einfachheit für ihn als tauglich erweist.
Das Vertraute, Allgegenwärtige und deshalb Unbeachtete, das in seinen Arbeiten mit kleinen „Störungen“ versehen plötzlich auf sich aufmerksam macht, interessiert den Künstler. In die gleichmäßige Struktur und Reihung der Zaun- und Gitterelemente arbeitet er Verschiebungen ein, die irritieren. Sichtbar und spürbar wird, wie diese Veränderungen sowohl als Störfaktor empfunden werden können als auch als belebende Elemente, als Momente der Dynamik, des Witzes, als Ausgangspunkt für spielerisches Weiterdenken. Das serielle Industrieprodukt wird zum Unikat, und es liegt im Auge der Betrachters, welchen Wert sie der Be- und Entfremdung, dem Bruch, dem Spielerischen beimessen möchte.

Installationsansicht Trümmer, Studio Mathias Weinfurter, Köln, GER, 2022
„Trümmer“ nennt sich die Arbeit aus grauen Betonsteinen in offenen Gitterbehältern. Sind sie eingesperrt? Eingesammelt? Bietet das Behältnis gar Schutz? Die grauen Steine sind aus geschredderten Betonabfällen gepresst. „Betonrecycling“. Und jeder Brocken hat seine eigene Geschichte. Vielleicht war er Teil einer Autobahn, vielleicht eines Abrisshauses, in dem viele Leben gelebt wurden? Und wieder stellt sich die Frage: Wie gehen wir damit um? Trauern wir um die verlorenen Bedeutungen und Formen? Spüren wir ihnen geschichtsbewusst nach? Oder machen wir einen Schnitt und nehmen den anonymisierten Betonbrocken als Ausgangsmaterial für Neues?
Mathias Weinfurter jedenfalls verwendet die alten Gitter und Materialien aus seinen abgebauten Werken wieder und freut sich schon darauf.
Mit Erinnerungskultur beschäftigt sich der Stipendiat seit Langem intensiv. Was ist erhaltenswert, was passiert, wenn Denkmäler vom Sockel geworfen und umfunktioniert werden, wie es politisch motiviert, immer wieder geschehen ist? Als Bildhauer rückt er Kunst in den Raum, auch in den öffentlichen Raum, wo sie sich positioniert. Seine Interventionen und Störungen des Vertrauten machen ihm Spaß, „denn darüber erreiche ich viele Menschen, darüber öffnen sich meine Arbeiten.“

Erschienen im Darmstädter Echo, am 12.12.2023