Larissa Kikol: Offenbach – Wie hat dich die Stadt Offenbach biografisch und/oder künstlerisch beeinflusst?
Mathias Weinfurter: Als ich das erste Mal in Offenbach war, sah es ein bisschen aus wie Kreuzberg, als ich das erste Mal dort war. Beide Orte haben sich seither stark verändert. Die Brachen, die Offenbachs Zentrum früher interessant machten, sind inzwischen weitgehend verbaut.
LK: Welche Malereitechnik, bzw. welcher Arbeitsansatz liegt deinen Arbeiten zu Grunde? (Welches Material benutzt du und woher kommt es? Wie bearbeitest du das Material? Welche Vorarbeiten sind für deinen Arbeitsprozess wichtig?)
MW: Ich wähle mein Material sorgfältig aus. Häufig arbeite ich mit industriell gefertigten Massenprodukten. Ihre Verfügbarkeit erlaubt es mir, Installationen jederzeit in ihren Dimensionen zu erweitern. Außerdem reizt mich die Normierung dieser Produkte, die ich durch subtile Eingriffe brechen kann.
Ich bevorzuge Materialen, die vielen Menschen vertraut sind, mit denen sie eine persönliche Verbindung haben. Zuletzt war das etwa Waschbeton, vor dessen Kulisse sich das Leben von vielen Menschen abspielt.
Installation view of Solitär at Kunsthalle Darmstadt, GER, 2025, photo by Jens Gerber
LK: Kannst du uns ein Werk näher erklären? (Wie ist es entstanden/welche Intentionen hattest du dabei/was sind die Hintergründe?)
MW: Für das Projekt Blurry Gazes habe ich den öffentlichen Raum untersucht und mit den virtuellen Aufnahmen von Google Street View verglichen. Dabei fiel mir ein Fehler auf, der dem Onlinedienst beim algorithmischen Zusammenfügen der 360-Grad-Bilder unterläuft. Während Gebäude und Landschaften nahezu nahtlos zusammengesetzt werden, scheitert der Algorithmus an den Zäunen, die den öffentlichen Raum begrenzen.
Dabei entstehen digitale Glitches – einzelne Zaunelemente sind verschoben. Ich empfand das als spannende Metapher: Es lohnt sich immer, Grenzen zu hinterfragen – und ihre Ambivalenz zwischen Ein- und Ausschluss sichtbar zu machen.
Seit dieser Entdeckung übersetze ich den digitalen Fehler in den physischen Raum. Aus dem Raster funktionaler Zäune entnehme ich Stäbe und füge sie versetzt wieder ein. So entsteht eine fortlaufende Serie von Palisaden- und Doppelstabmattenzäunen mit visuellen Glitches.
LK: Die Straße, die Stadt, der öffentliche Raum:Welchen Bezug siehst du zwischen deinen Arbeiten und dem Draußen?
MW: Ich bin mit verschiedenen Subkulturen aufgewachsen, die den öffentlichen Raum als Spielfeld begreifen. Diese Sozialisierung führte mich zum Kunstschaffen – selbstverständlich nutze ich alle Erkenntnisse, die ich durch die Subkultur erlange auch in meiner Arbeit als Künstler. Die meisten dieser Erkenntnisse basieren auf sozialen Praktiken und Ritualen.
Für meine Arbeiten schöpfe ich selbstverständlich auch aus Beobachtungen, die ich im öffentlichen Raum mache. Meine Perspektive ist dabei immer eine Privilegierte. Für eine wohnungslose oder anders marginalisierte Person bedeutet der öffentliche Raum etwas ganz anderes als für mich. Ich kann Nachts ohne Angst durch einen öffentlichen Park laufen – das ist ein Privileg.
Installation view of PF072304 at Ruttkowski;68, Cologne, GER, 2023, photo by Mareike Tocha
LK: Reduktion oder Öffnung des Raums? Wo würdest du dich hier verorten und warum? (Serielles, Wiederholung, Minimalistisches oder Raumexperiment und Raumtransfer?)
MW: Während des Arbeitsprozess addiere ich immer weiter Aspekte, Material und Kontext bis ich alles streiche, was ich für überflüssig halte. Ich schätze, dass meine Arbeiten im Ergebnis eher minimalistisch sind.
LK: Welchen Herausforderungen begegnest du persönlich bei deinem künstlerischen Schaffen? (Wonach suchst du in deinen Arbeiten/Was sind Schwierigkeiten in deinem Arbeitsprozess? / Wie gestaltet sich die Übersetzung von „Straße“ zu Kunstwerk?)
MW: Eine ständige Herausforderung sehe ich darin, mit meinen Arbeiten zeitgleich einen Raum für individuelle und universelle Erfahrungen zu schaffen.
Darüber hinaus sehe ich es als meine Verantwortung als Kunst- und Kulturschaffender, Impulse in gesellschaftliche und politische Diskurse einzubringen. Das ist nicht immer leicht – aber notwendiger denn je. Angesichts globaler Krisen wie Kriegen und Klimakatastrophen müssen wir aktiv einem gesellschaftlichen Rechtsruck entgegentreten, der die Probleme unserer Gegenwart und Vergangenheit leugnet.
Erschienen in XXX, XXX (Hg.), 2025
Larissa Kikol: Offenbach – Wie hat dich die Stadt Offenbach biografisch und/oder künstlerisch beeinflusst?
Mathias Weinfurter: Als ich das erste Mal in Offenbach war, sah es ein bisschen aus wie Kreuzberg, als ich das erste Mal dort war. Beide Orte haben sich seither stark verändert. Die Brachen, die Offenbachs Zentrum früher interessant machten, sind inzwischen weitgehend verbaut.
LK: Welche Malereitechnik, bzw. welcher Arbeitsansatz liegt deinen Arbeiten zu Grunde? (Welches Material benutzt du und woher kommt es? Wie bearbeitest du das Material? Welche Vorarbeiten sind für deinen Arbeitsprozess wichtig?)
MW: Ich wähle mein Material sorgfältig aus. Häufig arbeite ich mit industriell gefertigten Massenprodukten. Ihre Verfügbarkeit erlaubt es mir, Installationen jederzeit in ihren Dimensionen zu erweitern. Außerdem reizt mich die Normierung dieser Produkte, die ich durch subtile Eingriffe brechen kann.
Ich bevorzuge Materialen, die vielen Menschen vertraut sind, mit denen sie eine persönliche Verbindung haben. Zuletzt war das etwa Waschbeton, vor dessen Kulisse sich das Leben von vielen Menschen abspielt.
Installation view of Solitär at Kunsthalle Darmstadt, GER, 2025, photo by Jens Gerber
LK: Kannst du uns ein Werk näher erklären? (Wie ist es entstanden/welche Intentionen hattest du dabei/was sind die Hintergründe?)
MW: Für das Projekt Blurry Gazes habe ich den öffentlichen Raum untersucht und mit den virtuellen Aufnahmen von Google Street View verglichen. Dabei fiel mir ein Fehler auf, der dem Onlinedienst beim algorithmischen Zusammenfügen der 360-Grad-Bilder unterläuft. Während Gebäude und Landschaften nahezu nahtlos zusammengesetzt werden, scheitert der Algorithmus an den Zäunen, die den öffentlichen Raum begrenzen.
Dabei entstehen digitale Glitches – einzelne Zaunelemente sind verschoben. Ich empfand das als spannende Metapher: Es lohnt sich immer, Grenzen zu hinterfragen – und ihre Ambivalenz zwischen Ein- und Ausschluss sichtbar zu machen.
Seit dieser Entdeckung übersetze ich den digitalen Fehler in den physischen Raum. Aus dem Raster funktionaler Zäune entnehme ich Stäbe und füge sie versetzt wieder ein. So entsteht eine fortlaufende Serie von Palisaden- und Doppelstabmattenzäunen mit visuellen Glitches.
LK: Die Straße, die Stadt, der öffentliche Raum:Welchen Bezug siehst du zwischen deinen Arbeiten und dem Draußen?
MW: Ich bin mit verschiedenen Subkulturen aufgewachsen, die den öffentlichen Raum als Spielfeld begreifen. Diese Sozialisierung führte mich zum Kunstschaffen – selbstverständlich nutze ich alle Erkenntnisse, die ich durch die Subkultur erlange auch in meiner Arbeit als Künstler. Die meisten dieser Erkenntnisse basieren auf sozialen Praktiken und Ritualen.
Für meine Arbeiten schöpfe ich selbstverständlich auch aus Beobachtungen, die ich im öffentlichen Raum mache. Meine Perspektive ist dabei immer eine Privilegierte. Für eine wohnungslose oder anders marginalisierte Person bedeutet der öffentliche Raum etwas ganz anderes als für mich. Ich kann Nachts ohne Angst durch einen öffentlichen Park laufen – das ist ein Privileg.
Installation view of PF072304 at Ruttkowski;68, Cologne, GER, 2023, photo by Mareike Tocha
LK: Reduktion oder Öffnung des Raums? Wo würdest du dich hier verorten und warum? (Serielles, Wiederholung, Minimalistisches oder Raumexperiment und Raumtransfer?)
MW: Während des Arbeitsprozess addiere ich immer weiter Aspekte, Material und Kontext bis ich alles streiche, was ich für überflüssig halte. Ich schätze, dass meine Arbeiten im Ergebnis eher minimalistisch sind.
LK: Welchen Herausforderungen begegnest du persönlich bei deinem künstlerischen Schaffen? (Wonach suchst du in deinen Arbeiten/Was sind Schwierigkeiten in deinem Arbeitsprozess? / Wie gestaltet sich die Übersetzung von „Straße“ zu Kunstwerk?)
MW: Eine ständige Herausforderung sehe ich darin, mit meinen Arbeiten zeitgleich einen Raum für individuelle und universelle Erfahrungen zu schaffen.
Darüber hinaus sehe ich es als meine Verantwortung als Kunst- und Kulturschaffender, Impulse in gesellschaftliche und politische Diskurse einzubringen. Das ist nicht immer leicht – aber notwendiger denn je. Angesichts globaler Krisen wie Kriegen und Klimakatastrophen müssen wir aktiv einem gesellschaftlichen Rechtsruck entgegentreten, der die Probleme unserer Gegenwart und Vergangenheit leugnet.
Erschienen in XXX, XXX (Hg.), 2025